Die dritte Strophe dieses Kirchenlieds geht wie folgt:
Schön leucht’ die Sonne,
Schöner leucht’ der Monde,
Und die Sterne allzumal.
Jesus leucht’ schöner,
Jesus leucht’ reiner,
Als die Engel im Himmelssaal.
Ich musste an das Lied denken, als ich die jüngsten Blogbeiträge von Alipius und Cicero zum Thema Schönheit las. Und ich fürchte, ich muss mich an dieser Stelle, den beiden geschätzten Bloggerkollegen zum Trotz, als heimlicher Anhänger von Heidi Klum outen: “Niemand ist schön, so, wie er ist.” – Ja, ganz meine Meinung!
Denn Christus ist schöner.
Dabei war diese Erkenntnis, soweit ich informiert bin, unter den Kirchenvätern durchaus umstritten. Die frühen Väter waren der Meinung, Christus, der Gekreuzigte und Verspottete, sei eher hässlich gewesen. Etwas später hingegen, am deutlichsten bei Dionysius Areopagita, war die Schönheit Christi ausgemachte Sache: Insbesondere bei der Verklärung auf dem Tabor sei Er in übergroßem Glanz und überwältigender Schönheit erstrahlt.
Was stimmt nun? Naja, wir können uns ja ein Bild machen. Wir wissen doch, wie Christus aussah! Jedes Kind weiß das. Nicht umsonst erkennen wir ein Bild von Christus sofort an Gesichtszügen und Haartracht – wer wollte das von Petrus, Abraham oder Sokrates behaupten?
Ist also Christus (siehe Foto oben) schön? Könnte Er ein Model sein? Was würde wohl Heidi Klum sagen?
Die Frage ist natürlich völlig falsch gestellt. Und hier nähern wir uns allmählich dem spezifisch christlichen Schönheitsbegriff und entfernen uns zugleich vom verengten Schönheitsbegriff der Klumheidi. So 100% bin ich nämlich (ja – ich kann die werte Leserschaft beruhigen!!) doch nicht einer Meinung mit der Supermodelpäpstin. Aber dazu gleich.
Erstmal ein kleiner Spaziergang.
Man begegnet ja auf der Straße immer wieder schönen Frauen. Ich rede jetzt mal der Einfachkeit halber von Frauen, aber Frauen, Homo-, Zoo-, Nekro- oder Koprophile können selbstverständlich stattdessen die Schönheitsobjekte ihrer Wahl einsetzen. Wie oft passiert es also, dass ich eine Frau, die mir gerade eben noch als außergewöhnlich schön ins Auge gesprungen ist, nach zwei gewechselten Worten völlig unattraktiv finde – langweilig, affektiert, dumm, humorlos oder sonstwie abstoßend. Ebenfalls kommt es immer mal wieder vor (wenn auch seltener), dass eine Frau, die ich anfangs nicht besonders hübsch fand, im Laufe des Gesprächs immer liebenswertere Züge zeigt – ein süßes Lächeln, ein faszinierendes Temperament, einen provozierenden Humor – und ich nach ein paar Stunden, Tagen oder Wochen dieselbe Frau, die mir am Anfang unattraktiv vorkam, richtiggehend hübsch und anziehend finde. Manchmal aber (und das ist das allerseltenste) geschieht es, dass ich eine Frau treffe, die ich bereits vom reinen Anblick außergewöhnlich schön finde, und während ich mit ihr spreche, wird sie durch ihr bezauberndes Lächeln, ihre blitzenden Augen, ihr mitreißendes Temperament immer und immer unglaublicher. In dieser Situation bin ich dann rettungslos verloren. Sprich: sofort verliebt.
Man sieht also, Schönheit ist mehr als das zweidimensionale Foto. Wir brauchen die dritte Dimension. Und das ist hier nicht die räumliche Tiefe, sondern die Zeit. Schönheit zeigt sich nicht im Standbild von Gesichtszügen und Figur, sondern tritt erst zutage, wenn Gesichtszüge und Figur sich bewegen. Und während Kosmetik dazu dient, die Schönheit des Standbilds zu optimieren, lässt sich die Schönheit des bewegten Bilds nur durch ein anderes Mittel optimieren: Persönlichkeit.
Wenn Heidi Klum der Ansicht ist, “Niemand ist schön, so, wie er ist”, dann stimme ich dem Satz deshalb zu, weil ich anders als Frau Klum nicht die zwei-, sondern die dreidimensionale Schönheit im Blick habe. Und meine Diagnose lautet dementsprechend auch nicht: “Du bist nicht schön, also muss deiner Kosmetik nachgeholfen werden”, sondern “Du bist nicht schön, also muss deiner Persönlichkeit nachgeholfen werden”.
Denn was ist die Persönlichkeit eines Christenmenschen? Zuerst einmal: unvollkommen. “Niemand ist in Ordnung, so, wie er ist”. Wir sind Sünder. Wir haben Fehler. Wir sind Teil der gefallenen Welt.
Auch die Hässlichkeit ist Ausfluss der gefallenen Welt. Im Himmel wird es keine Hässlichkeit mehr geben. Die Schönheit des verklärten Christus leuchtet uns entgegen als Ideal- und Zielbild eines jeden, der Ihm nachfolgt.
Selbstverständlich ist die Korrespondenz zwischen Sünde und Hässlichkeit nur eine allgemeine, keine individuelle. Keineswegs ist jedes konkrete hässliche Ding, jede konkrete hässliche Kreatur Zeichen für eine besondere Verworfenheit oder Gottesferne dieses Dings oder dieser Kreatur. Eine solche 1:1-Korrespondenz wäre Blödsinn und dem christlichen Glauben entgegengesetzt. Ein hässlicher Mensch (nach Heidi Klums Maßstäben), ein wirklich hässlicher Mensch kann die bewundernswerteste und gottseligste Persönlichkeit haben – und, auch das müssen wir konzedieren, er wird selbst durch diese seine außergewöhnliche Persönlichkeit für menschliche Augen nie richtig schön werden. Aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, dass die himmlische Schönheit die Hässlichkeit dieses Menschen verklärt – und seis auch nur in einem einzigen Blitzen seiner Augen, in einer einzigen Bewegung seiner Hände. Wenn wir dieses Blitzen, diese Bewegung gesehen haben, so werden wir ihn niemals mehr mit denselben Augen ansehen, die eben noch geurteilt haben: “So ein hässlicher Mensch”. Wir werden stattdessen denken: “Wow.” – Und wir werden sehen, wie dieser Mensch auf das reagiert hat, was Heidi Klum diagnostiziert hat: “Niemand ist schön, so, wie er ist”: Er hat darauf reagiert, indem er nicht blieb, wie er war, sondern sich für Christus und Seine Schönheit öffnete und sich von Ihm verwandeln ließ.
So strahlt die himmlische Schönheit in Ewigkeit aus diesem Menschen hervor, während alle irdische, kosmetische Schönheit vor der Ewigkeit vergehen wird:
Schön sind die Blumen,
Schöner sind die Menschen
In der frischen Jugendzeit;
Sie müssen sterben,
Müssen verderben:
Jesus lebt in Ewigkeit.