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Erkenntnis

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Meine Melismen

Gestern Probe mit einem israelischen Pianisten. Mein Stück klinge orientalisch, meinte er, wegen der vielen Melismen und Verschleifungen. Ich hatte das zwar eher der Barpiano-Idiomatik entlehnt, stimmte ihm aber gerne zu. Er möge die Ornamente trotzdem genau ausspielen, bat ich ihn, und sie nicht verschlucken.

Er: “Vielleicht ich soll spielen ein bisschen mehr deutsche?” – Ich zunächst etwas konsterniert, stimmte ihm dann aber gerne zu und meinte in martialischem Tonfall, “jawohl: gut: Spiel also bitte etwas Deutscher!” – Großes Gelächter: “ich habe nicht gesagt ‘deutsche’ – ich habe gesagt ‘dolce’!”

Wer hätte gedacht, dass wir den Tag noch erleben dürfen, wo es Situationen gibt, in denen “deutsch” und “dolce” dasselbe bedeuten?! Oh, wenn das der Führer wüsste!

Wir aber können uns ob der erfolgreichen Transzendierung von Klischees freuen. Die Windungen und Wendungen der Sprache sind doch immer eine reiche Quelle der Gotteserkenntnis: nichts ist in Ewigkeit, wie wir Menschen darüber reden. Wo deutsch dolce heißen kann, heißt Tod auch Leben.


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